Freiwilligendienst für Holocaust-Überlebende
Nach dem Abschluss gehen die AbsolventInnen der Maria-Merian-Schule ganz unterschiedliche Wege. Anja Miunske, die das einjährige Berufskolleg zum Erwerb der Fachhochschulreife (1BKFHB) der Maria-Merian-Schule besuchte, verbrachte im Rahmen eines Freiwilligendienstes ein Jahr in Israel und lernte die Faszination des Landes mit seiner jahrtausendealten Tradition kennen.
„Zedakah“ ist das hebräische Wort für Wohltätigkeit und Motto des gleichnamigen Vereins mit Sitz im Schwarzwald. Der 1960 gegründete christliche Verein hat sich zum Ziel gesetzt, Holocaust-Überlebende zu trösten, ihnen zu dienen und Gutes zu tun. Zu diesem Zweck betreibt ZEDAKAH e.V. das Gästehaus Beth El in Shavei Zion sowie das Pflegeheim Beth Elieser in Maalot in Israel.
In dem Gästehaus in Shavei Zion, welches im Nordwesten Israels nahe der libanesischen Grenze liegt, arbeitete Anja Miuske ein Jahr lang im Rahmen eines Freiwilligen Sozialen Jahres. „Ursprünglich hatte ich überhaupt nicht geplant, ein FSJ zu absolvieren“, erzählt Anja. „Nach meinem Abschluss am Berufskolleg der Maria-Merian-Schule wollte ich eigentlich gar nicht ins Ausland, sondern ein duales Studium beginnen. Als dann nach meiner Bewerbung tatsächlich die Zusage kam, war ich zunächst total überrascht und hatte auch Angst, weil ich weder das Land noch jemanden vor Ort kannte. Im Nachhinein war es aber die beste Entscheidung, die ich treffen konnte.“
In Shavei Zion betreute sie gemeinsam mit anderen Volontären aus Deutschland Überlebende des Holocaust, welche dort die Möglichkeit bekommen, einen zehntägigen kostenlosen Urlaub am Mittelmeer zu verbringen. Anja arbeitete vor allem in der Küche und konnte dort die Besonderheiten koscheren Essens kennenlernen: „Die Küche war strikt nach Fleisch und Milch getrennt, sogar die Teller und das Besteck“, berichtet sie. „Für unkoscheres Geschirr gab es ein spezielles Ritual zur Reinigung.“
Da sie neben der Essenszubereitung auch für die Ausgabe und Bedienung zuständig war, hatte Anja viel Kontakt mit den Gästen des Erholungsheimes in Shavei Zion. Besonders in Erinnerung geblieben ist ihr dabei die Offenheit, mit welcher ihr ein über 90-jähriger Auschwitz-Überlebender, der jedes Jahr mit einer Gruppe von Schülern zum ehemaligen Vernichtungslager in Polen reist, begegnete. Im Pflegeheim Beth Elieser in Maalot lernte sie einen dementen Bewohner kennen, der immer wieder plötzlich grundlos anfing zu weinen. „Das hat mir gezeigt, wie sehr die Erfahrungen aus dem Holocaust die Überlebenden ihr ganzes Leben lang verfolgen und prägen“, sagt Anja. Trotz der Last der Vergangenheit im deutsch-israelischen Verhältnis sind Anja die Menschen in Israel immer sehr offen, freundlich und nie misstrauisch begegnet. Dieses Bild ist es auch, welches sie anderen vermitteln will, um das teils einseitige und falsche Bild des Landes geradezurücken.
Während ihres Freiwilligendienstes musste sich Anja auch mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt sowie dem angespannten Verhältnis Israels zu seinen Nachbarländern auseinandersetzen. „Wenn man sich in Israel aufhält, wird man automatisch in den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern hineingezogen, wovon ich überrascht war“, berichtet sie. Shavei Zion, wo sie arbeitete und lebte, liegt in der sogenannten „30-Sekunden-Zone“, einem Gebiet, in dem Raketen aus dem Libanon abgewehrt werden und man nach einem Alarm maximal 30 Sekunden Zeit hat, um sich in Sicherheit zu bringen. Glücklicherweise erlebte Anja während ihrer Zeit in Israel aber keinen Angriff und hatte nie Angst: „Da überall sehr viel Sicherheitspersonal und sehr viel Militär war, fühlte ich mich immer sicher.“
Aus ihrer Zeit in Israel nimmt Anja trotz der angespannten Sicherheitslage daher zahlreiche positive Erfahrungen mit: „Wenn man offen ist und nicht nur eigenen Denkmustern folgt, sondern auch andere Meinungen akzeptiert, macht das vieles einfacher und man lernt schnell neue Menschen kennen“, so ihr Fazit. „Die Zeit in Israel und der Umgang mit den Holocaust-Überlebenden haben mir gezeigt, dass man mehr schaffen kann, als man denkt, wenn man den Willen hat. Zweifel sind meist unbegründet.“
An ihre Zeit an der Maria-Merian-Schule denkt Anja gerne zurück: „Ich habe sehr gute Erinnerungen an meine LehrerInnen und MitschülerInnen. Wir hatten eine tolle Klassengemeinschaft und man hat gelernt, mit unterschiedlichen Charakteren umzugehen. Das war sehr hilfreich für meinen Freiwilligendienst in Israel“, sagt sie.
Bilder: Anja Miunske