Bestseller-Autor Thomas Hettche zu Gast
Den Fragen der Schülerinnen und Schülern der Berufskollegs stellte sich der mehrfach ausgezeichnete Schriftsteller Thomas Hettche bei einer Lesung in der Schulbibliothek.
Der Autor präsentierte dabei nicht nur eine Passage aus seinem Roman „Die Liebe der Väter“, der seit dem Schuljahr 2023/24 Pflichtlektüre in den Berufskollegs in Baden-Württemberg ist, sondern bot auch interessante Einblicke in seine Biografie, seine schriftstellerische Tätigkeit und sein Werk.
Im Zentrum des Romans „Die Liebe der Väter“ steht der Verlagsvertreter Peter, der im Rahmen eines Silvesterurlaubs auf Sylt den Versuch unternimmt, das Verhältnis zu seiner von ihm getrennt lebenden Tochter Annika zu verbessern. Unfähig zur Kommunikation, verbittert und latent aggressiv präsentiert sich der Held des Romans und der Autor gibt auch zu, dass es „keine gute Figur“ sei. „Aber so sind wir Menschen“, meint Hettche.
Aus der Perspektive Peters werden die Ohnmacht, Hilflosigkeit und Schuldgefühle eines Vaters ohne Sorgerecht dargestellt. Auf die Frage, warum die Sichtweise der Mutter Annikas, zu der Peter ein zerrüttetes Verhältnis hat, unberücksichtigt bleibt, erklärt der Autor: „Literatur ist kein Gerichtsverfahren, bei dem alle Seiten gehört werden. Literatur ist nicht gerecht.“
„Die Liebe der Väter“ erschien im Jahr 2010 und seither hat sich die Gesetzeslage für unverheiratete Väter geändert. Für Hettche steht aber nicht allein die Sorgerechtsproblematik im Vordergrund: Ihm geht es – wie der Roman-Titel schon besagt – um die Liebe der Väter: Gibt es Unterschiede zu der Liebe der Mütter? Haben Väter andere Empfindungen und Gefühle? Auf die Frage, wie genau diese „Liebe der Väter“ aussieht, antwortet der Autor: „Anders, ohne genau sagen zu können, wie. Väter müssen einen eigenen Weg des Umgangs mit den Kindern finden.“
Auch Thomas Hettches Beziehung zu seinem eigenen Vater war Thema des Gesprächs mit den Schülerinnen und Schülern. Der aus Treis bei Gießen stammende Autor kommt aus einer Familie von Nicht-Akademikern. Nach einem Studium der Germanistik, Filmwissenschaft und Philosophie debütierte er 1989 mit seinem Roman „Ludwig muss sterben“ und erhielt in den folgenden Jahren zahlreiche renommierte Preise und Stipendien für seine literarischen und journalistischen Arbeiten, darunter ein Stipendium der Akademie Schloss Solitude in Stuttgart, den Rom-Preis der Deutschen Akademie Villa Massimo und ein Stipendium der Villa Aurora in Los Angeles. Die Anerkennung seines Vaters für seine schriftstellerische Tätigkeit erhielt er aber erst, als in der regionalen „Gießener Allgemeinen Zeitung“ ein Artikel über ihn erschien.
Die Schülerinnen und Schüler lauschten über eineinhalb Stunden aufmerksam den Ausführungen des Autors und nutzen ausgiebig die seltene Gelegenheit, mit dem Autor einer ihrer Pflichtlektüren in den Austausch zu kommen. Wer wollte, konnte sich nach der Lesung und dem Gespräch noch eine persönliche Widmung in den Roman schreiben lassen.
Organisiert wurde die Veranstaltung von Julia Kauer, der Leiterin der Zentrumsbibliothek. Zur Begrüßung sprach Ingrid Klumpp, die Schulleiterin der Maria-Merian-Schule. Das Gespräch mit Thomas Hettche moderierte Tajana Klein vom Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL).
Text und Bilder: Degen