Die Kurve kriegen
Arbesa hat eine bunte Karte in ihrem Mäppchen. Darauf zu sehen: Eine Straße, die in eine Kurve mündet, daneben steht ein Baum.
Die Karte hat die Schülerin aus dem AV-Dual an der MMS von Ute Brenner bekommen, die Arbesa und ihre Klasse einen Vormittag lang mit dem Seminar „Lernen Lernen“ besucht hat.
Bei diesem Titel denken die meisten wohl an Merk- und Arbeits-Techniken, die versprechen, dass der Stoff aus der Schule besser im Kopf kleben bleibt. Dabei ist das weniger als die halbe Miete, so Ute Brenner, die seit vielen Jahren mit ihrer großen Tasche und zwei Kisten voller bunter Präsentationsmaterialien als Lerncoach die Schulen im Land bereist.
Sie zeigt ohne das Heilsversprechen einer neuen Methode und viel Technik-Trara in ihren Seminaren einen Weg, wie das Lernen tatsächlich sinnvoller und effektiver gestaltet werden kann und vor allem, wie’s funktioniert: Nicht Faulheit, sondern Angst sei der Grund, warum Lernende nichts mehr kapieren, „Man darf sich von der Angst nicht aus der Kurve tragen lassen“, sagt sie – und zeichnet die breite Straße, den Baum von Arbesas Kärtchen und unser Kleinhirn auf Packpapier an eine Metaplanwand. Damit umreißt sie auch schon die Kernbotschaft ihres Seminars: Wer in Panik gerät, weil er etwas nicht weiß oder glaubt, etwas nicht zu wissen, dessen Kleinhirn macht dicht und verweigert die Mitarbeit, so Ute Brenner. Da gerate jeder Lernende in einen Zustand, in dem er wirklich nichts mehr wisse – weiß sie aus Erfahrung.
Schritt für Schritt fragt, skizziert und verdeutlicht sie, wie man in die Angstfalle gerät und wie man auch wieder herauskommt. Sie überrascht und unterhält die Schüler*innen, die begeistert mitmachen, und demonstriert anschaulich, dass sie die eigentlichen Fachleute sind – für ihr individuelles Weiterkommen auf ihrem Weg: denn jede und jeder der Anwesenden trägt eine eigene Lern-Geschichte mit sich herum und einen heimlichen Angstgegner, der seine Macht nur verliert, wenn er enttarnt ist, ob beim freien Sprechen im Deutschunterricht, beim Rechnen vor der Klasse an der Tafel, oder bei der Vorbereitung auf Prüfungen daheim am Schreibtisch.
Anschaulich zeigt sie, was im Gehirn eigentlich passiert, wenn wir unter Stress geraten.
Und sie weist darauf hin, dass am Beginn eines erfolgreichen Lernwegs immer wieder die Entscheidung steht „Hilft mir das jetzt oder schadet mir das?“, und dass man vergangenen Fehlern oder Missgeschicken nicht nachtrauern sollte: „Eiwei, es ist, wie es ist“, solle man sich sagen.
Denn eigentlich trägt jeder die Lösung bereits in sich: „Wir kennen den Baum meistens schon, auf dem wir landen, wenn die Angst siegt“, sagt Brenner lapidar und illustriert den Seminarteilnehmer*innen an vielen lebendigen Beispielen, wie sie mit Ruhe, Gelassenheit und Übung um den Baum herumkommen und ihrem Weg treu bleiben.
„Mir haben die drei A‘s am meisten gefallen – Atmen, Aufrichten, und alles mit Abstand betrachten“, sagt Arbesa und ist sich sicherer als vor dem Seminar, dass sie, wenn‘s eng wird in der Schule, die Kurve kriegt.
Text: Bäuerle-Schoberth, Bilder: Helfmann